Was steckt hinter der Wut der Brasilianer?
Die Menschen gehen gegen Korruption, Misswirtschaft, schlecht arbeitende Verwaltungen und Polizeigewalt auf die Straße.
► Entzündet hatten sich die Demonstrationen an Preiserhöhungen für Bustickets: in São Paulo die Bustickets um 20 Centavos auf 3,20 Reais (ca. 1,10 Euro) und in Rio um 20 Centavos auf 2,95 Reais (1 Euro). Für Millionen Brasilianer sind Bus und Bahn die einzige Chance zur Arbeit zu kommen. Viele verbringen täglich Stunden in überfüllten Bussen und endlosen Staus.
Doch die Forderungen sind umfangreicher. Es hat sich viel angestaut. „Gegen alles und für Änderungen”, titelte eine Zeitung am Dienstag. Im WM-Jahr 2014 sind in Brasilien Präsidentschaftswahlen.
► Für den Confed Cup, der seit Samstag läuft, investierte die Regierung vermutlich 27,5 Milliarden Reais (9,6 Mrd. Euro). Allein die Sanierung des Maracanã-Stadion kostete 360 Millionen Euro. 2016 folgen die Olympischen Spiele. Die genauen Kosten dafür sind noch nicht klar, gehen aber ebenfalls in die Milliarden.
► „Schluss mit der Korruption” ist eine Forderung, die bei keinem Protest fehlt. Brasilien leidet historisch unter Korruption und wird regelmäßig von Skandalen über Vetternwirtschaft und Bestechung erschüttert.
Der sogenannte Mensalão-Prozess wegen systematischer Bestechung von Abgeordneten zog sich 2012 über Monate hin. Es gab lange Haftstrafen für Ex-Regierungsmitglieder, Parteigenossen und Unternehmer. Doch die wenigsten werden die vollen Strafen absitzen, wenn sie überhaupt ins Gefängnis müssen. „Schluss mit der Straflosigkeit” – auch das forderten die Demonstranten.
► Obwohl die Regierung in den vergangenen zwei Jahren mit milliardenschweren Sozialprogrammen 22 Millionen Menschen aus der extremen Armut holte, ist in Brasilien die Kluft zwischen Arm und Reich extrem. Menschen, die auf der Straße leben, gehören zum Alltag.
Der Monats-Mindestlohn liegt nach regelmäßigen Anhebungen derzeit bei 678 Reais (236 Euro). Viele Brasilianer haben zwei oder drei Jobs, um sich über Wasser zu halten. Zum Vergleich: Ein Bundesabgeordneter in Brasília bekommt monatlich 26 723,13 Reais (9310 Euro) plus Spesen.
► „Weniger WM, mehr Schulen und Krankenhäuser” – auch das war eine zentrale Forderung. Außerhalb der Ballungsräume wie São Paulo oder Rio de Janeiro ist die medizinische Versorgung oft prekär. Es fehlt in den Kliniken oft an Medikamenten, modernen Geräten und Ärzten. Die Regierung will tausende Mediziner aus Kuba holen, die in den ärmsten Regionen Brasilien eingesetzt werden sollen.
Schulen leiden oft unter Streiks. In einigen Gegenden Bahias hatten die Schüler ihren ersten Schultag in diesem Jahr erst im April. Das Problem: zu wenige Lehrer, zu niedrige Löhne.
► Für Unmut sorgen auch Zwangsumsiedlungen in Rio de Janeiro und anderen WM-Spielorten wegen großer Bauprojekte. Allein in Rio sind nach Angaben von WM-Gegnern 29 000 Menschen vor allem in Favelas (Armensiedlungen) von Zwangsumsiedlung bedroht. 11 000 Menschen mussten ihre Unterkünfte bereits räumen.
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