sexta-feira, 12 de março de 2021

Roma e Cartago

 Folgen des Beutezugs

Michael Sommer rekapituliert die Kriege Roms gegen Karthago
Der Althis­to­ri­ker Micha­el Sommer ist ausge­spro­chen inter­es­siert am Zeit­ge­sche­hen. Auf seinem Face­book-Profil kommen­tiert er leiden­schaft­lich die tages­po­li­ti­schen Scha­ra­den zwischen links und rechts. Sommer, der den „Konser­va­tis­mus zur Gegen­kul­tur“ aufstei­gen sieht, weil sich seit dem Mauer­fall zwar flächen­de­ckend libe­ra­le Ideen durch­ge­setzt hätten, aber zugleich der Libe­ra­lis­mus abge­schafft sei, gehört zum neu gegrün­de­ten „Netz­werk Wissen­schafts­frei­heit“ (F.A.Z. vom 4. und 10. Febru­ar 2021) das sich aus rund sieb­zig Profes­so­rin­nen und Profes­so­ren zusam­men­setzt und der soge­nann­ten „Cancel Cultu­re“ entge­gen­tritt. In einem Inter­view mit der „Süddeut­schen Zeitung“ beklag­te Sommer unlängst, momen­tan greife an der Univer­si­tät ein „gewis­ser Oppor­tu­nis­mus und Konfor­mi­täts­druck“ um sich.
Einge­denk solcher Inter­ven­tio­nen, ließe sich vermu­ten, Sommer könnte eine Mono­gra­phie über „Roms Kriege gegen Kartha­go“ für mehr oder weni­ger gehei­me Kassi­ber poli­ti­scher Pädago­gik nutzen. Tatsäch­lich jedoch berich­tet er mit ausdau­ern­der Genau­ig­keit und quel­len­kri­ti­scher Hinga­be von den „komple­xen“ Krie­gen und ihren bünd­nis­po­li­ti­schen Konse­quen­zen, vom Kräf­te­mes­sen zweier Mächte, das 264 vor Chris­tus als klei­ner Beute­zug begann und sich über die Jahre zum „tota­len Krieg“ stei­ger­te, in dem es nur noch um die völli­ge Vernich­tung des Gegners ging.
Der Konflikt zwischen Kartha­go und Rom wird bei Sommer zu einer Fall­stu­die über die Struk­tur histo­risch gewach­se­ner Macht­ver­hält­nis­se. Er folgt keiner globa­len Theo­rie, stellt auch keine provo­zie­ren­den Thesen auf, sondern schil­dert minu­ti­ös und dicht an den anti­ken Quel­len den Verlauf des zwei­und­vier­zig­jäh­ri­gen Kriegs­ge­sche­hens. Seine Art des Schrei­bens kommt ohne beson­de­re Zuspit­zun­gen oder Span­nungs­bö­gen aus; von einem „Drama“, das im Vorwort in Aussicht gestellt wird, hat seine Darstel­lung nichts. Im Gegen­teil könnte man sagen, dass Sommer das Kunst­stück gelingt, den zigfach beschrie­be­nen und immer wieder neu aufge­la­de­nen Dualis­mus zwischen der Land­macht Rom und der Seemacht Kartha­go undra­ma­tisch und unprä­ten­ti­ös darzustellen.
Nie lässt er sich von seinem Stoff mitrei­ßen, immer bleibt er der nüch­tern zurück­hal­ten­de Betrach­ter. Eine pauscha­le Antwort auf die Frage, warum Rom über Kartha­go siegte, braucht man hier also nicht zu erwar­ten. Aller­dings bietet Sommer subti­le Hinwei­se, indem er immer wieder auf sein am Olden­bur­ger Lehr­stuhl entwi­ckel­tes Konzept (das er eben nicht „Theo­rie“ nennt) des „Bewäh­rungs­rau­mes“ anspielt, den sich römi­sche Aris­to­kra­ten suchen muss­ten, um erfolg­reich ihre Tugend­haf­tig­keit zu beweisen.
Ohne Kriege keine Bewäh­rung, daher ist jede Abstim­mung über Krieg und Frie­den in Roms Senat auch eine über die Zukunfts­chan­cen ambi­tio­nier­ter Impe­ri­ums­trä­ger. Die Unver­ein­bar­keit beider Mächte sieht Sommer somit auch in der „menta­len Asym­me­trie zwischen einem mari­ti­men Impe­ri­um und einer Wehr­ge­mein­schaft der Bürger und Bundes­ge­nos­sen“ begründet.
Auch beim Auftritt Hanni­bals bleibt Sommer bei seiner Darstel­lungs­tak­tik, zählt dessen Kriegs­e­le­fan­ten und berich­tet von jedem Tag seiner Alpen­über­que­rung. Die für die Römer trau­ma­ti­sche Schlacht von Cannae schil­dert er auf genau­so vielen Seiten wie die kartha­gi­schen Kriegs­zü­ge in Iberi­en oder Massi­nis­sas Herr­schafts­kampf um ein unge­teil­tes Numi­di­en. Und selbst „Catos Ceter­um“ oder „Scipi­os Tränen“ – sonst die unaus­weich­li­chen Höhe­punk­te jeder Mono­gra­phie zum Thema – werden hier fast en passant erwähnt und als lite­ra­ri­sche Stili­sie­rung des betei­lig­ten Zeit­zeu­gen Poly­bi­os gewertet.
Das, was den Regeln der akade­mi­schen Tradi­ti­on nach zuerst kommen sollte – der Forschungs­über­blick und die Leit­fra­gen –, kommt hier zum Schluss anstel­le einer empha­ti­schen Gesamt­be­wer­tung des Gesche­hens. Bis zuletzt hält Sommer den „homo poli­ti­cus“ in sich zurück, fragt nur vorsich­tig, wie unser Europa wohl heute aussä­he, hätte Hanni­bal damals gesiegt. Wer den forschen Sommer will, muss auf Face­book gucken – dieses Buch hat der beson­ne­ne Forscher geschrie­ben. SIMON STRAUSS

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